Kochbuch in der DDR mit Kartoffelrezepte

Die DDR Kartoffel

Mein Vater und seine Eltern sind in Thüringen aufgewachsen und haben von dort die Thüringer Klöße als mein Lieblingsessen mit gebracht. Bei meinen Recherchen rund um Kartoffeln findet man viele Informationen über die westdeutschen Gepflogenheiten, aber die ostdeutschen Rezepte und auch die Sorten der Kartoffeln in der DDR sind nur anekdotisch vorhanden. Hier ein Überblick der vorhandenen Informationen.

Mangelwirtschaft, jedoch Kartoffeln gab es immer


Wer in der DDR aufgewachsen ist, hat, auch über 30 Jahre nach dem Ende dieser Staatsform, noch Erinnerungen an die DDR. „In den Geschäften gab es nicht immer alles. Vieles konnte nur manchmal, wenn wir eben dazu kamen, gekauft werden. Die Regale der Einkaufsmärkte und Konsums waren selten voll. Kartoffeln aber gab es immer und davon lagerten wir uns für Herbst und Winter jedes Jahr etliche Kilos ein. Manchmal waren Sie im Dezember schon faul, weil sie so überdüngt waren.“ Diese Geschichte erzählen Frauen aus einem kleinen Dorf in Thüringen, nahe an der bayrischen Grenze zu Coburg gelegen. Die DDR musste sich aus Eigenkraft mit der Kartoffelproduktion versorgen. Große Ballungsräume, wie zum Beispiel die Vorzeigestadt der sozialistischen Politik, Berlin, mussten vollständig mit Speisekartoffeln beliefert werden. Die vielen DDR Großküchen in den Betrieben und Fabriken brauchten täglich Mengen an Kartoffeln. Die Kartoffel war in der DDR das Grundnahrungsmittel Nummer Eins. 1980, zum Beispiel, beläuft sich der Speisekartoffelverzehr pro Kopf/ pro Jahr auf sagenhafte 140 Kilogramm. Das, was an Überschuss produziert worden ist, ging auf die Reise in den damaligen Ostblock. Hauptsächlich die sozialistische Sowjetunion war Abnehmer für die Überproduktion an Kartoffeln.

Konkurrenzfähige Landwirtschaft


Die Landwirtschaft der DDR im Allgemeinen war, und das ist sehr interessant, nach der Wende als einer der wenigen Bereiche, absolut mit dem Westen konkurrenzfähig. Aus der Quelle des Statistisches Jahrbuches der DDR 1990, S. 90, ist ersichtlich, dass 1989 10,8 Prozent der Berufstätigen der DDR in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Im Jahr 1989 gab es 3844 LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) und 464 volkseigene Güter. Allerdings hat sich der Kartoffelanbau in den Folgejahren stark gewandelt. Bis 1989, so lässt sich aus einer Ausgabe der Bauernzeitung vom 31.10.2019 lesen, hatte der Kartoffelanbau in den ostdeutschen Bundesländern die DDR zu ernähren. 9,2 Millionen Tonnen Kartoffeln wurden noch 1989 hier geerntet. Angebaut und gewachsen sind sie auf einer Fläche von 431.274 Hektar. Im Vergleich wurden im Jahr 2011 nur noch 1,4 Millionen Tonnen auf einer Fläche von 47000 Hektar angebaut und geerntet.

Kartoffelsaison und Ernteeinsätze


Typisch für die DDR waren die jährlichen Ernteeinsätze für Schüler, Studenten, Soldaten, Beamte und sogar Hausfrauen. Von der Uni aufs Land hieß es zur Erntezeit und zur Kartoffelsaison. Das waren nicht unbedingt Einladungen, die auf Freiwilligkeit basierten. Der Ernteeinsatz zählte zu den sozialistischen Pflichten eines guten DDR Bürgers, der, wenn abgelehnt, negative Folgen nach sich zöge. So wurden die LPGs jährlich durch viele fleißige Hände bei der Kartoffelernte unterstützt. Die Kartoffelsorten konnte man sich in der DDR merken, es gab nur 30 Sorten. Zu den bekannten Kartoffelsorten in der DDR gehörten Amsel, Artilla, Arkula, Solina, Kortena und Adretta. Amsel zum Beispiel gibt es seit 1956 und wurde in die Tschechei und nach Ungarn exportiert. Adretta stammt aus einer Kartoffelzüchtung der DDR des Jahres 1975. Ab 1975 entwickelte sich die Kartoffelsorte Adretta rekordverdächtig und nahm 1980 die Hälfte der Gesamtanbaufläche ein.

In 2009 wurde Adretta sogar Kartoffel des Jahres.

Kartoffelsorte der DDR Adretta
W.Stegmann, CC BY-SA 4.0

Tabelle aller Kartoffelsorten in der DDR

KartoffelsorteReifezeitHinweis
AckersegenSpäte Kartoffelsorten
AdrettaSpäte Kartoffelsorten
AmselFrühe Sorten
AquilaSpäte Kartoffelsorten
ArgoSpäte KartoffelsortenAb 1956 Apollo
ArkulaFrühe Sorten
Artillaunbekannt
BallerinaFrühe Sorten
BonaMittelfrühe Sorten
CapellaSpäte KartoffelsortenAb 1943 Gerlinde
CarneaSpäte Kartoffelsorten
EdelgardSpäte Kartoffelsorten
ErdgoldSpäte Kartoffelsorten
ErntedankMittelfrühe Sorten
FlämingsstärkeSpäte Kartoffelsorten
FlavaMittelfrühe Sorten
FramSpäte Kartoffelsorten
FrühboteFrühe Sorten
FrühmölleFrühe Sorten
FrühnudelMittelfrühe Sorten
GemmaSpäte Kartoffelsorten
HillaSpäte Kartoffelsorten
ImmertreuSpäte Kartoffelsorten
JohannaSpäte Kartoffelsorten
JubelSpäte Kartoffelsorten
Kortenaunbekannt
MerkurSpäte Kartoffelsorten
MittelfrüheMittelfrühe Sorten
OstboteSpäte Kartoffelsorten
ParnassiaSpäte Kartoffelsorten
PriskaSpäte Kartoffelsorten
RobustaSpäte Kartoffelsorten
SabinaSpäte Kartoffelsorten
SchwalbeSpäte KartoffelsortenAus Aquila und Capella
SieglindeFrühe Sorten
SolinaMittelfrühe Sorten
SpatzSpäte Kartoffelsorten
StarSpäte Kartoffelsortenin Sperber umbenannt
ToniMittelfrühe Sorten
VeraFrühe Sorten
ViolaFrühe Sorten
VoranSpäte Kartoffelsorten
WekaragisSpäte Kartoffelsorten
Alle bekannten Kartoffelsorten der DDR

Typische DDR Rezepte aus der Kartoffel


Was waren die typischen DDR Rezepte? Heute, über 30 Jahre später, haben diese Rezepte nun wieder eine neue Hochkonjunktur. Sie sind nicht vergessen und das Schmökern in alten DDR Kochbüchern bringt so manches tolle Rezept zum Vorschein. Diese Rezepte sind Retro, kultig, eine Art Lebensgefühl aus einer Zeit, die sich nur die Menschen so richtig vorstellen können, die in diesem Land aufgewachsen sind. Es war nicht alles schlecht, es war einfach sehr anders. Die Großmutter der heute 47-jährigen Bianca Blechschmidt zum Beispiel, die in einem kleinen Dorf in Thüringen an der Grenze zum oberfränkischen Coburg lebt und für diesen Artikel gerne Auskunft gab, kochte regelmäßig Kartoffeln und Eier mit Senfsauce. Ebenfalls auf ihrem Speiseplan standen eingelegte Heringe mit Pellkartoffeln und Kartoffelsuppe mit gebratenem Speck. Klöße am Sonntag waren eine Tradition und es gab selten etwas anderes.

Der dazugehörige Braten wurde auf dem Dorf im hauseigenen Hasenstall groß. So ziemlich jeder auf dem Land hatte früher, in der DDR, einen Kartoffelkeller. Kartoffeln waren einfach eines der Lebensmittel, die es immer gab und damit stand die Kartoffel hoch im Kurs auf den Speiseplänen Ostdeutschlands. Faszinierender Weise waren jedoch Gerichte wie zum Beispiel Pommes Frites etwas, die kaum auf dem DDR Esstisch landeten. „Eine Fritteuse, die wir dafür gebraucht hätten, war so einfach nicht zu bekommen. Da wir keine hatten, gab es bis 1989 bei uns zu Hause auch keine Pommes.“, erzählt Bianca Blechschmidt, aus dem kleinen thüringischen Dörfchen nahe der Bayrischen Grenze weiter.
Heute, über 30 Jahre nach der Wende und in einem gemeinsamen Deutschland, spielen die altbewährten Kartoffelsorten noch immer und zum Teil wieder neu eine Rolle. Der Kartoffel, als ein Hauptbestandteil des Thüringer Kloßes, wird sogar ein ganzes Museum gewidmet. Die Thüringer Kloßwelt befindet sich in Heichelheim, ganz in der Nähe der wunderschönen Klassikerstadt Weimar und lohnt den Besuch allemal.

Quellen:

  • Redaktion Hauswirtschaft, 1968, Wir kochen gut, Verlag für die Frau, Friedrich-Ebert-Str. 76-78 in Leipzig
  • Redaktion Hauswirtschaft, 1986. Kartoffeln, Verlag MIR, Moskau/ Verlag für die Frau, 1. Auflage
  • Zeitzeugen: Bianca Blechschmidt aus Thüringen
  • Allgemeine Zeitung, C. Beckers Buchdruckerei GmbH & Co. KG, Artikel vom 25.09.2010 Link
  • Artikel „Über die Schorfresistenz der in der DDR zugelassenen Kartoffelsorten“ Prof. Dr. Alfred Hey ,Biologische Zentralanstalt für Land- und Forstwirtschaft Berlin, ca. 1955
  • Statistisches Jahrbuches der DDR 1990, S. 90

Solltet ihr Quellen und Hinweise über Kartoffelsorten und Namen in der DDR haben, die hier im Artikel fehlen, bitte schreibt sie in die Kommentare oder schickt mir die Fotos per Email an info at einfachkartoffel.de

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